Die ersten Bilder des James-Webb-Teleskops sind schön anzuschauen, aber nicht nur das. Erste wissenschaftliche Analysen zeigen, wie viel neue Erkenntnis in ihnen steckt.
Als im Juli die ersten Bilder des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) weltweit für Erstaunen und Begeisterung sorgten, kam immer wieder die Frage auf: Sind das einfach nur schöne Bilder für die Öffentlichkeit? Oder wird man auch aus diesen postkartentauglichen Aufnahmen schon etwas Neues über den Kosmos lernen können? Dass der visuelle Wow-Effekt für die NASA natürlich eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Motive spielte, wurde damals gar nicht erst geleugnet – die Öffentlichkeit sollte schließlich sehen, dass sich die Finanzierung des Zehn-Milliarden-Dollar-Projektes gelohnt hat. Dass aber die Beobachtungen auch einiges wissenschaftliches Potential besitzen, kann man nun in ersten Veröffentlichungen auf der Grundlage von JWST-Daten verfolgen.
So hat sich in den „Astrophysical Journal Letters“ eine internationale Gruppe von Astronomen die „Webb’s First Deep Field“ getaufte 12,5-stündige Langzeitaufnahme in Richtung des Galaxienhaufens SMACS 0723 genauer angesehen. In dem Bild, das mittlerweile als Poster zahlreiche Wände schmücken dürfte, konzentrierten sie sich auf eine neun Milliarden Lichtjahre entfernte Hintergrundgalaxie, die sie „The Sparkler Galaxy“ nennen, „Wunderkerzen-Galaxie“. Der Name ist dadurch motiviert, dass die Galaxie von kompakten gelb-roten Flecken umgeben ist. The Sparkler ist auf dem Bild mehrfach zu sehen, was daran liegt, dass der Galaxienhaufen im Vordergrund der Aufnahme als Gravitationslinse wirkt: Seine gigantische Masse krümmt den Raum derart, dass das Licht von weiter entfernten Objekten abgelenkt wird wie durch eine optischen Linse und den Betrachter auf mehreren Wegen erreicht – daher die Mehrfachbilder. Zudem wird die Strahlung der entfernten Quellen verstärkt. Gravitationslinsen erlauben es daher, noch weiter ins Universum zu schauen, als es selbst dem extrem empfindlichen James-Webb-Teleskop andernfalls möglich wäre.
Der Gravitationslinseneffekt bestärkt die Astronomen auch in der Annahme, dass die gelb-roten Flecken tatsächlich Teil der Sparkler-Galaxie sind, denn sie sind zusammen mit der Galaxie in den Mehrfachabbildungen zu sehen. Worum es sich bei diesen Flecken physikalisch handelt, konnten die Forscher nun anhand ihrer Analyse herausfinden, wobei sie die JWST-Daten durch Daten des Hubble-Weltraumteleskops ergänzten. Die Tatsache, dass Spektrallinien hochionisierten Sauerstoffs in den Flecken fehlen, die klassisch als Signaturen aktiver Sternentstehung gelten, sowie die allgemeine Spektralverteilung der empfangenen Strahlung lassen die Astronomen schließen, dass es sich bei den Flecken um alte Kugelsternhaufen handelt, Gruppen Hunderttausender Sterne, wie wir sie auch aus unserer Milchstraße kennen. Aus dem Spektrum der Quellen ließ sich unter Zuhilfenahme von Modellen auch das Alter der Sternhaufen ableiten. Demnach hätten sich diese nur rund 500 Millionen Jahre nach dem Urknall gebildet und gehörten demnach zu den jüngsten Objekten im Universum, die das Stadium der Sternentstehung bereits hinter sich gelassen haben.
Aus den Beobachtungen wird man auch Grundsätzliches über Kugelsternhaufen lernen können. Denn bislang blieb unklar, wann und wie diese Objekte überhaupt entstanden sind. Das liegt daran, dass die rund 150 Vertreter dieser Klasse in der Milchstraße sich bereits in einem Zustand befinden, in dem ihr Alter schwer zu ermitteln ist. Bei jüngeren Haufen ist das einfacher, und die neuen Daten liefern wertvolle Informationen für das Verständnis ihrer Entstehung. Dafür ist weitergehende Modellierung notwendig. Außerdem ist das JWST noch so neu, dass eine gewisse Vorsicht im Umgang mit den ersten Daten ratsam ist. Wie so oft sollen hier künftige Beobachtungen weiterhelfen.