In einer Zeit, in der Meldungen über das Aussterben von Arten zunehmend den Ton angeben, sorgt eine spektakuläre Wiederentdeckung für Aufsehen: Der seltene Himalaya-Samtwurm Typhloperipatus williamsoni, der mehr als ein Jahrhundert lang als ausgestorben galt, wurde in den östlichen Ausläufern des Himalayas erneut gefunden.

Diese außergewöhnliche Kreatur, eine faszinierende Mischung aus Wurm, Raupe und Nacktschnecke, besitzt eine samtig weiche Haut und wird oft als „lebendes Fossil“ bezeichnet – ihr Körperbau hat sich seit hunderten Millionen Jahren kaum verändert. Die Art wurde ursprünglich 1913 anhand von Exemplaren aus dem Siang-Tal im heutigen Arunachal Pradesh beschrieben. Danach verschwand sie für über 100 Jahre aus dem Blickfeld der Wissenschaft und blieb nur durch alte Aufzeichnungen und Fossilien bekannt.

Ein Team von Forscherinnen und Forschern des Ashoka Trust for Research in Ecology and the Environment (ATREE) nahm zwischen 2021 und 2023 erneut die Spur des Wurms im Siang-Tal auf. Anhand jahrhundertealter Hinweise und fundierter Planung gelang es dem Team schließlich, zwei lebende Exemplare dieser rätselhaften Art zu entdecken. Durch morphologische Untersuchungen und genetische Analysen konnten sie eindeutig als Typhloperipatus williamsoni identifiziert werden.

Zur Einordnung in den Stammbaum der Samtwürmer analysierten die Forscher das mitochondriale Erbgut der Tiere. Die Ergebnisse zeigen eine enge Verwandtschaft mit Samtwurmarten aus Südostasien. Damit füllt die Entdeckung nicht nur eine bedeutende Lücke im Verständnis der Samtwurm-Evolution, sondern sie liefert auch neue Impulse für die Forschung über die Entstehungsgeschichte dieser uralten Tiergruppe.

Gleichzeitig betonen die Studienautoren, dass noch viele Fragen offenbleiben. Eine präzisere zeitliche Einordnung der evolutionären Entwicklung von Typhloperipatus williamsoni sei nur mit erweiterten genetischen Datenbanken und weiterführenden Studien möglich.

Die Wiederentdeckung steht exemplarisch für das unerschöpfliche Potenzial der Artenvielfalt – besonders in Regionen mit hohem Naturschutzwert. Doch so erfreulich der Fund ist, so alarmierend sind die Bedrohungen: Die Lebensräume des Samtwurms sind durch Landwirtschaft, Abholzung und nicht nachhaltige Praktiken massiv gefährdet.

Die Forschungsergebnisse sind daher nicht nur ein wissenschaftlicher Triumph, sondern auch ein dringender Appell zum Handeln. Sie unterstreichen die Notwendigkeit konkreter Schutzmaßnahmen, um urzeitliche Arten wie den Himalaya-Samtwurm vor dem endgültigen Verschwinden zu bewahren.