Dass die Expertise für Windbeutel, Weckle, Krapfen und Spätzle in einem Forschungslabor gefragt sein kann, dürfte all jene überraschen, die sich noch nie mit molekularer Genetik befasst haben. Und die Drosophila vermutlich für eine reine Küchenplage halten, die kleine Fliege also bisher nicht als Studienobjekt schätzen gelernt haben.

Doch der 1942 in Heyrothsberge nahe Magdeburg geborenen Entwicklungsbiologin Christiane Nüsslein-Volhard und ihren Mitarbeitern ist es unter anderem zu verdanken, dass bestimmte Gene und dementsprechend deren Proteine nach Backwaren oder süddeutschen Spezialitäten benannt wurden, diese somit in der internationalen Nomenklatur gelistet sind nebst Cactus, Easter, Snake, Pipe und Pelle.

Was es damit im Detail auf sich hat, erklärt Nüsslein-Volhard zum Beispiel in einem Übersichtsartikel, der in diesem Frühjahr im Fachjournal „Trends in Genetics“ erschienen ist und sich einer wortwörtlich tollen Geschichte widmet: dem Einfluss des Toll-Gens auf Fliegenembryonen. Auch in diesem Fall war sie Taufpatin, zusammen mit dem amerikanischen Molekularbiologen Eric F. Wieschaus, als eine „amazing“, sprich toll geformte weibliche Drosophila-Mutante 1980 zufällig zur Entdeckung eines der für die Entwicklung entscheidenden Gene führte, die ihnen fünfzehn Jahre später – gemeinsam mit Edward B. Lewis – den Nobelpreis für Medizin bescheren sollten.

Bis heute ist Christiane Nüsslein-Volhard die einzige deutsche Wissenschaftlerin, die in dieser Sparte mit dem Nobelpreis geehrt wurde, und eine von nur zwölf Frauen unter den mittlerweile 225 Auserkorenen. Ihre Mutter war Kindergärtnerin, der Vater Architekt; sie wuchs mit vier Geschwistern in einer stark von Kunst und Musik geprägten Familie auf und hat keine eigenen Kinder. Ihr Neffe Benjamin List teilt jedoch die Leidenschaft für Naturwissenschaften, und 2021 wurde er mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.